Manifest für eine menschliche Zusammenarbeit

Andreas Petersell, Uwe Hermann, Roman Meyer, Michael Weigmann, Marc Langer am 15.05.2019

Operation Teamwork

Präambel

Unser Ziel – Zusammenarbeit von Mensch zu Mensch

Viele Firmen und Behörden funktionieren in Sachen Zusammenarbeit immer noch nach Vorstellungen von Frederick Taylor von vor 100 Jahren: Taylor suchte nach dem besten Weg, jede noch so kleine Aufgabe steuerbar, vorhersagbar und effizient zu machen. Der Vorgesetzte sollte beobachten und optimieren, der Arbeiter sollte die Regeln einhalten und möglichst Schritt halten. Nun ist in den 100 Jahren viel passiert.

Im März 2019 trafen sich Mitarbeiter und Geschäftsführer zu einem lockeren Meinungsaustausch. Viele Mitarbeiter äußerten ihren Unmut über die Art und Weise der Zusammenarbeit. Alle bestätigten jedoch, mit keinem Kollegen im Hause persönliche Probleme zu haben. Was liegt da näher, als die Ursache für die Unzufriedenheit in der Art und Weise unserer Zusammenarbeit zu vermuten? Wie arbeiten wir zusammen? Was ist unser Betriebssystem ?

Der Unmut könnte darin begründet liegen, dass wir unsere Firma als Organisation noch immer wie eine Maschine betrachten: Menschen und ihre Prozesse sollen ineinander greifen wie ein Uhrwerk. Aber Organisationen sind keine Maschinen! Sie sind nie vorhersehbar. Sie sind komplexe Systeme. Vergleichbar mit einem Garten: alles ist mit allem verbunden, alles ist dynamisch, aufstrebend und veränderlich.

Wenn wir Kollegen mit dieser Komplexität und Unsicherheit konfrontiert werden, neigen wir schnell zu Vereinfachungen: Die Mitarbeiter sagen: Wir haben die falschen Führungskräfte! Die Vorgesetzten sagen: Wir haben die falschen Mitarbeiter! Aber das Problem sind weder die Vorgesetzten, noch die Mitarbeiter. Es ist das Betriebssystem unserer Firma.

Stellt Euch vor: Du bist ein erholungssuchender Städter mit zwei linken Händen und pachtest einen Kleingarten. Der Vorbesitzer hat ein Chaos hinterlassen. Schnell merkst Du, dass Du bei der Gartenumgestaltung Hilfe brauchst. Was könntest Du tun?

(1) Du und dein Partner unternehmt einen Spaziergang durch die Kleingartenanlage und grüßt alle, die Ihr seht. Dann kommt Ihr an einem Garten vorbei, der Euch besonders gefällt. Du sprichst den Gärtner an. Dieser lädt Euch mit an die Kaffeetafel. Nach einer halben Stunde fragst Du ihn, ob er dir nicht helfen könnte. Es wäre schade, wenn sein Wissen um wilde Teilbiotope im Garten nicht weitergetragen wird. Das sieht der Gärtner genauso. Ihr verabredet Euch zu einem Arbeitseinsatz am nächsten Wochenende. Zurück im Garten hast Du keinen Strom. Du klingelst beim Nachbarn und stellst Dich und Deine Familie kurz vor. Dann erkundigst du dich nach dem Sicherungskasten. Der Nachbar lacht und sagt, dass er Elektriker ist. Er zeigt dir den zentralen Sicherungskasten. Bei der Gelegenheit erzählst Du vom E-Herd und fragst ihn, ob er dir nicht beim Anschließen helfen könnte. Am nächsten Wochenende gibt es den Arbeitseinsatz. Der Gärtner und der Elektriker verstehen sich gut und ihr alle genießt die gute Nachbarschaft. Der Gärtner hat seinen Nachbarn mit einer großen Leiter mitgebracht. Ihr versorgt die Nachbarn mit Imbiss und Getränken. Am Abend trommelt ihr alle zusammen und kündigt als Dank an, eine große Dankesparty zu geben. Alle melden sich und erzählen, was sie dazu beitragen wollen.

oder

(2) Du gehst zum Vereinsvorsitzenden und lässt Dir die E-Mailadressen sämtlicher Pächter geben. Du schreibst eine kurze Sammelmail mit Betreff “Parzelle 1743”. In den Nachrichtentext schreibst du ein Datum und das Wort “Gartengestaltung”. Gottseidank hat der Algorithmus Deine Signatur automatisch erstellt, so dass Du nichts weiter schreiben musst. Jetzt noch ein Mausklick zum Abschicken. Das war´s.

Im ersten Beispiel bist du der Driver, der alles vorantreibt. Du hast andere Menschen um Hilfe gebeten und diese haben dir Hilfe gewährt. Du gestaltest und du trägst die Verantwortung für deinen Garten.

Im zweiten Beispiel kommt kein Mensch. Erst, nachdem der Vereinsvorsitzende eine Mail schreibt, kommt einer, der nicht gerade eine wirkliche Hilfe ist.

Wie oft handeln wir in unserer Firma nach dem ersten Beispiel, der menschlichen Ansprache? Kaum. Warum können wir aber im Privatleben wie Menschen handeln? Warum verwandeln wir uns, sobald wir unsere Firma betreten, in seelenlose Roboter?

Wir, die Autoren des Manifests, fühlen uns als Mensch UND Mitarbeiter der Firma und wollen in der Zukunft darin keinen Gegensatz mehr sehen. Wir wollen menschlich handeln – im gegenseitigen Respekt.

Manifest

Eine Lösung – Arbeiten im Team

Wir Mitarbeiter freuen uns, gemeinsam mit unseren Vorgesetzten einen Weg zu beschreiten, der

  • für unsere Produkte eine höhere Qualität und Termintreue und

  • für uns Mitarbeiter eine hohe Motivation und Effizienz sicherstellt.

(1) Um Hilfe bitten

Wer andere um Hilfe bittet und diese ihm gewährt wird, hat mit anderen Kollegen schon fast ein Team gebildet. Wir lernen, andere um Hilfe zu bitten. Wir melden uns beim Kollegen erst persönlich, bevor wir Termine digital verschicken. Wir lernen, erst einmal nur die Hilfe zu gewähren, die angefordert wird.

(2) Das Team hat eine Mission

Kennzeichnend für ein Team ist jedoch, dass es eine Mission oder eine Product-Ownerschaft hat. Jedes Teammitglied sollten in wenigen Worten sagen können, was das Team macht.

(3) Sinnstiftende Arbeit

Wir Mitarbeiter identifizieren uns mit unserer Firma zuallererst über Menschen – und erst danach über unsere Aufgaben. Wir sehen in der Teamarbeit für ein gemeinsames Ziel die Grundlage für ein sinnstiftendes und effizientes Wirken für uns Mitarbeiter.

(4) Teams finden Lösungen auf Ziele

Wir Mitarbeiter bilden Teams, um auf die vom Auftraggeber vorgegebenen Ziele die besten Lösungen zu finden.

Für uns ist ein Team ein Team, wenn es diese Eigenschaften aufweist bzw. wenn die Teammitglieder sich nach diesen Prinzipien richten:

(5) – Teambildung des Verhandlungsführers

Ein Auftraggeber erteilt einem Mitarbeiter einen Auftrag: Dir. Du zeigst Führungsstärke und übernimmst Verantwortung: Du bittest andere um Hilfe. Ein Team entsteht, mit Dir als treibende Kraft und Verhandlungsführer des Teams.

(6) – Kein Vorgesetzter im Team

Es gibt in unseren Teams keinen Vorgesetzten. Niemand hat eine Weisungsbefugnis gegenüber einem Teammitglied.

(7) – Teammitglieder übernehmen Funktionen

Unsere Teams wählen kein Teammitglied in eine pauschale Führungsrolle als Teamleiter. Wir betrauen jedoch Teammitglieder mit folgenden Funktionen:

  • Verhandlungsführung (aussen)

  • Präsentation/Dokumentation der Leistungen/des Teams (aussen)

  • Koordination (innen)

  • Moderation/Konfliktregulierung (innen)

Es können auch mehrere Mitglieder eine Funktion ausfüllen. Es kann auch ein Mitglied mehrere Funktionen ausfüllen.

(8) – Wer, was und wann

Das Team bestimmt einen Moderator (fest oder rotierend), der zum Ende eines Treffen schriftlich die nächsten Aufgaben der Teammitglieder in der Form wer-was-wann festhält.

(9) – Schnelle Entscheidungsfindung

Das Team trifft Entscheidungen eigenständig. Kann keine Entscheidung im angemessenem Rahmen gefunden werden, muss ein Moderator außerhalb des Teams hinzugezogen werden. Es gibt aber auch Entscheidungen, die das Team nicht treffen kann. Diese Entscheidungen werden delegiert.

(10) – Teamarbeit ist Projektarbeit

Ein klarer Auftrag ist keine Bringschuld des Auftraggebers, sondern eine Holschuld des Teams. Auftragsklärung , Risiko-Check , Projektplanung und -steuerung sind Standards des Projektmanagements und garantieren den Erfolg eines Teams. Wir Teammitglieder verschaffen uns diese Projektmanagement-Kenntnisse mindestens durch die Lektüre von Patrick Schmid: Erfolgreiches Projektmanagement, Regensburg 2018 – einem schmalen Praxisleitfaden.

(11) – Auftragsklärung zuerst

Der Auftraggeber hat meist nicht umfassend Zeit, seine Idee oder Erfordernis bis ins letzte Detail zu planen. Unsere Teams mit ihrem Verhandlungsführer an der Spitze müssen beim Auftraggeber herausfinden, was er wirklich will.

  • Wir trennen zwischen Zielen und Lösungen

  • Unsere erste Frage ist die Zielfrage: Was wollen wir damit erreichen?

  • Wir halten Termine und Prioritäten des Auftraggebers fest

(12) – Konzept

Unser Team erstellt mit den Erkenntnissen der Auftragsklärung und sämtlicher vorhandener Dokumente und Erfahrungen in der Firma ein Konzept. Existiert bereits ein Konzept, wird dies mit Hilfe der o.g. Erkenntnisse angepasst. Das Konzept ist für den Programmier-Kollegen eine Arbeitsgrundlage. Es sollte auch für den Redakteur und Tester Basisinformationen über Anwendungsfälle und Benutzerrechte bereitstellen. Das Konzept sammelt die Lösungen auf die mit dem Auftraggeber vereinbarten Ziele. Das Konzept besprechen wir abschließend mit dem Auftraggeber. Teil des Konzeptes könnte eine Zielvereinbarung sein, die vom Auftraggeber und Team unterschrieben wird. Verweigert das Team die Unterschrift, ist der Termin nicht haltbar.

(13) – Auftragsausführung im Team

Mit unserem Wissen über Projektmanagement meistern wir die Umsetzung des Auftrages zum Termin. Wir geben gegenüber dem Auftraggeber in Abständen Auskunft über den Fortgang der Arbeiten und zeigen Probleme gegenüber dem Auftraggeber sofort an.

(14) – Abschluss des Auftrages

Wir achten auf die Erfüllung der internen Ziele wie z.B. die Anfertigung einer Entwicklerdokumentation. Wir Teammitglieder beschließen ein Projekt (und damit das Team) mit einer Rückschau:

  • Was lief gut?

  • Was lief nicht so gut? Was können wir nächstes Mal besser machen?