Wie man ein Pferd fliegt

Andreas Petersell am 11.06.2018

Entscheidungsträger und Autoritätspersonen in Wirtschaft, Wissenschaft und Regierung betonen alle, dass sie Kreativität schätzen, aber wenn man sie testet, stellt sich heraus, dass sie die Kreativen nicht schätzten. Warum? Weil besonders kreative Menschen meist auch verspielter, unkonventioneller und weniger berechenbar sind, und damit auch schwerer zu kontrollieren. Man kann noch so sehr betonen, wie sehr man Kreativität schätzt, aber tief drinnen haben die meisten von uns lieber die Kontrolle.

Unsere Neigung, neue Ideen im Prinzip zu begrüßen, sie dann aber in der Praxis abzulehnen, ist ein Merkmal, kein Fehler. Jede Spezis hat eine eigene Nische, und jede Nische hat eigene Risiken und Vorteile. Unser Vorteil ist die schnelle Anpassung: Unsere Werkzeuge verändern sich schneller, als die Evolution unsere Körper verändern kann. Unser Risiko besteht darin, dass unsere neuartigen Schritte in die Dunkelheit führen können. Wenn wir etwas Neues erschaffen, kann uns das umbringen; wenn wir nichts Neues schaffen, werden wir auf jeden Fall sterben. Das macht uns zu widersprüchlichen Wesen: Wir brauchen und fürchten die Veränderung. Kein Mensch ist nur progressiv oder nur konservativ. Jeder ist immer beides.

— Kevin Ashton: Wie man ein Pferd fliegt
München 2016 (S. 102 ff)

Menschen mit einem gesunden intellektuellen Selbstbewußtsein müssen niemanden beweisen, wie clever sie sind. Sie gehen empirisch vor und streben nach der Wahrheit. Menschen mit mangelndem intellektuellen Selbstbewußtsein müssen allen zeigen, wie clever sie sind. Sie sind egoistisch und wollen triumphieren.

Hibbard reagierte perfekt auf die kühne Behauptung seines neuen Mitarbeiters, das Flugzeug von Lockheed sei Schrott. Ein Manager kann kaum machtvoller reagieren als mit der Aufforderung: "Beweisen Sie es mir".

— Kevin Ashton: Wie man ein Pferd fliegt
München 2016 (S. 213)